• © lohrer.hochrein landschaftsarchitekten und stadtplaner gmbh l München
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Vom Großen ins Kleine

lohrer.hochrein landschaftsarchitekten und stadtplaner gmbh l München

Axel Lohrer

Einblicke in die alltägliche Arbeit zwischen großen Ideen und kleinen Herausforderungen - Landschaftsarchitektur als kohärente Folge vom städtebaulichen Maßstab bis in das fassbare Detail und als möglichst zeitlose, individuelle Antwort auf Aufgabe und Ort.

Der Jakobsweg der Kröte

Axel Lohrer von Lohrer Hochrein über Freiheiten und Zwänge bei der Freiraumplanung

von Gisela Graf, Freiburg | gisela graf communications

Ein Freiraum bedeutet nicht, dass man bei der Gestaltung desselben frei wäre. Im Gegenteil: es gibt viel zu berücksichtigen. Äußere Zwänge wie Verkehr, Denkmal- oder Naturschutz, Normen und Richtlinien, die nötige Anzahl der Parkplätze, Ansprüche der Passanten, Anwohner, Alten und Behinderten, Kinder und Tiere – ja, auch der Tiere – und nicht zuletzt das Budget: Wo bleibt da der Gestaltungsfreiraum?

Axel Lohrer vom erfolgreichen Büro Lohrer Hochrein berichtete im Architekturforum Freiburg anschaulich und überzeugend, wie man sich als Landschaftsarchitekt und Stadtplaner den nötigen Spielraum verschafft. Das Büro sei breit aufgestellt und habe keine „eigene Bürolinie“, sondern es sei ihm ein Anliegen, „aus dem Ort heraus zu denken“, sagt Lohrer gleich zu Beginn. Deshalb falle jedes Projekt unterschiedlich aus, weil naturgemäß jeder Ort seine eigenen Voraussetzungen, Maßstäbe und Funktionen hat.

Zum Beispiel ganz aktuell in Chemnitz: Die wachsende Industriestadt soll in den kommenden Jahren mitten im Zentrum ein neues Wohnquartier bekommen. Um dieses mit dem Rest der Stadt über freie Sichtachsen zu verbinden, wird die Baustruktur der 1960er Jahre aufgebrochen. Der anschließende Stadthallenpark wird dafür komplett umgestaltet. Standen die Bäume vorher additiv in einem abgegrenzten Bereich des Parks, werden sie nun locker über die gesamte Fläche verteilt. Dadurch kann auch die Verkehrsader, die das Areal und somit Wege und Blicke durchschneidet, in mehreren Spuren nach dem „Berner Modell“ durch den Park verlaufen. Zwar musste die Stadt dafür einige vorgefasste Prinzipien aufgeben, doch hat der Entwurf alle überzeugt. Der Wettbewerb wurde im Sommer 2015 für Lohrer Hochrein entschieden.

Auch in Landsberg/Lech stieß das Büro von vornherein auf viele Vorgaben, als es um die Neugestaltung des Hauptplatzes ging. Trotzdem konnte das Büro die Stadt überzeugen, das vorher Undenkbare zu denken und die störende Durchgangsstraße einfach zu verlegen. Der Hauptplatz sollte wieder zum Stadtmittelpunkt werden, also musste er konsequenterweise verkehrsberuhigt und leer geräumt werden. Heute ist er ein ruhiger, großzügiger Platz, der die Sicht auf den Marktbrunnen in der Mitte und die historischen Fassaden am Rand freigibt.

Das ehemalige, 200 Hektar große Werksgelände des Hochofenwerks Phoenix West in Dortmund wurde seit 2007 in ein Mischgebiet für Wohnen, Freizeit, Erholung und Hightec-Industrie konvertiert. Die verbliebenen Freiflächen waren Puffer- und Abstandsflächen sowie Hangkanten zur wieder oberirdisch fließenden Emscher. Den Landschaftsarchitekten blieben etwa 50 Hektar Parkareal – unter den Vorgaben eines minimalen Budgets, dass keine Pflegekosten entstehen dürfen und viel Retentionsfläche für den renaturierten Fluss geschaffen werden muss. Was macht man „mit einem Park den keiner will, keiner braucht und keiner pflegen kann“, fragte Lohrer. Dann könne man es gleich lassen, – „wenn da nicht die Kröte wäre“. Denn neben den Rückhalteflächen war es wichtig, die Wanderwege der Kreuzkröte nicht zu behindern. Die findet jetzt ihr Biotop in den neuen Weihern und Tümpeln, die unter anderem in einem Hochplateau mit Schotterfläche entstehen. Die Landschaftsarchitekten schufen ein Gelände mit einem ausgeklügelten System von Wasserachsen, und Kaskaden, Wegen und Promenaden. Die Stahlrelikte erhielten sie als Landmarken. Außer einem Kiefernhain gibt es keine größere Bepflanzung, es wurde sogar ganz radikal auf Substrat verzichtet und keine Ansaat verwendet. Die Vegetation auf dem (teilweise versiegelten) Industrieboden bleibt ganz sich selbst überlassen, der Park entwickelt sich selbst – günstiger geht es nicht.

Eine Bürolinie konnten die Zuhörer nach dem Vortrag doch noch finden: viel Diskussions- und Überzeugungsfreude bei der Auseinandersetzung mit den Auftraggebern und der Mut, Vorgaben und Bedingungen zu hinterfragen. Der Erfolg scheint dem Büro recht zu geben: bisher konnte es seine Entwürfe nach zwei- bis dreijährigen Diskussionen zu 90% umsetzen, 50% der realisierten Projekte gehen auf Wettbewerbe zurück.

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Das Büro von Axel Lohrer und Ursula Hochrein besteht seit 1993. Sitz ist München mit weiteren Standorten in Magdeburg und Perach am Inn. Als Landschaftsarchitekten und Stadtplaner beschäftigt sich das Büro mit Freiraum, am liebsten arbeitet es in den Bereichen Stadt, Platz und Park, es liebt das Wechselspiel zwischen urbaner Dichte und landschaftlicher Weite.

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www.lohrer-hochrein.de