• © Roland Halbe
  • © Roland Halbe

Über unsere Arbeit

LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei l Stuttgart

Jórunn Ragnarsdóttir

Wofür steht der Freiburger Gestaltungsbeirat? Welche Werte und Haltungen vertritt er? In lockerer Folge stellen die Mitglieder sich und ihre Arbeit vor:

„Wir blicken zurück auf eine Baukultur von viertausend Jahren, in denen der Mensch Räume schafft, in denen er seine physischen und psychischen Bedürfnisse wiederfindet. Räume, die aufgrund ihrer Bedeutung Botschafter eines kulturellen Erbes sind – Räume, die Orte definieren und durch ihre körperhaften und taktilen Qualitäten bestechen.
Warum also sollten wir möglichst transparente Räume schaffen, die uns beim Betreten sagen: Du bist wieder draußen!“
Von entscheidender Bedeutung für unsere Projekte ist das Schaffen eines Ortes. Dazu wird Architektur jedoch nicht zwanghaft neu erfunden, vielmehr versuchen wir, aus der langen Geschichte des Bauens zu lernen - ohne dabei einem Historismus zu verfallen.
Für uns gilt es, Orte zu definieren, deren Räume durch ihre körperhaften und taktilen Eigenschaften überzeugen. Um dies zu erreichen, werden Qualitäten bestehender Bauten hinterfragt und in eine moderne Formensprache überführt: Das Vertraute wirkt neu.

Bekenntnis zur Mauer

Die Vorsitzende des Freiburger Gestaltungsbeirats Jórunn Ragnarsdóttir über das Bauen in der Stadt.

von Gisela Graf, Freiburg | gisela graf communications

Volles Haus im Architekturforum: Als ein weiteres Mitglied des Freiburger Gestaltungsbeirats war Jórunn Ragnarsdóttir von LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei zu Gast. Seit Februar 2014 arbeitet der Beirat unter ihrem Vorsitz und hat schon so manches Projekt auf eine andere Spur gebracht. Wer die öffentlichen Sitzungen besucht hat, kennt bereits den geradlinigen und resoluten Stil der Isländerin. An diesem Abend sollte es nun um die Projekte ihres eigenen Stuttgarter Architekturbüros LRO gehen.

Wie Zvonko Turkali im Jahr zuvor kommt es auch Ragnarsdóttir auf die bereits vorhandene Struktur der Stadt an und nicht darauf, sich selbst mit lauter Architektur ein Denkmal zu setzen. Einen Ort zu gestalten, der durch seine Präsenz überzeugt, ohne sich aufzudrängen: selbstbewusst, aber mit Rücksicht auf die Umgebung. „Eine Marke ist vollkommen uninteressant in der Stadt“ betont Ragnarsdóttir. So schaut man bei LRO erst einmal zurück, bevor man die Planung aufnimmt. Wie ist die Historie des Ortes? Welche Struktur bestand früher? Und wie kann man diese aufgreifen, sodass etwas Neues entsteht, das zugleich vertraut ist?

Der Hospitalhof in Stuttgart, heute ein Bildungszentrum der evangelischen Kirche, geht auf die spätgotische Struktur eines Dominikanerklosters aus dem 15. Jahrhundert zurück. Übrig waren noch der Chor der Klosterkirche und die Südwand des Kirchenschiffs. Der L-förmige Neubau schafft eine Innenhofsituation – etwa wie ein Kreuzgang, sodass Besucher darin etwas Vertrautes erkennen. Die Fenster mit ihren plastischen Laibungen und Kappen kontrastieren zu den massiven Mauern aus hellen Ziegeln. Dabei bilden die Fassaden nicht die Versammlungsräume im Inneren ab, sondern reagieren auf die jeweilige Struktur der Umgebung. Sogar die Spitzbögen und Strebepfeiler vom Bestand werden ein Stück weit übernommen: „Die Außenwände sind die Innenwände der Stadt“, meint Ragnarsdóttir dazu.

Auch bei der Erzdiözese Rottenburg wurde zuallererst die ursprüngliche Konstellation des Gebäudebestands recherchiert, als für diese eine neue Zentrale gebaut werden sollte. An der Stelle, wo sich einmal eine barocke Kirche befand, sollte sich der Neubau bescheiden zwischen andere einfügen und trotzdem ein Alleinstellungsmerkmal besitzen. Dies gelang den Architekten, indem sie mit dem geschwungenen, gesprengten Giebel und einem mit Licht inszenierten Hauptportal eine sakrale Architektur andeuten. Im Treppenhaus ragen halbrunde Emporen nach innen. Diese barocke Anmutung ist gewollt: Im Grundriss sieht man, dass sie die Umkehrung der Kapellen des Vorgängerbaus sind.

Wurden schon für Rottenburg unter das massive Mauerwerk 30% Altziegel gemischt, besteht das preisgekrönte Kunstmuseum in Ravensburg sogar zu 100% aus solchen. Das hat nicht nur ökologische Gründe – der 2013 fertiggestellte Bau war das weltweit erste Passivhausmuseum – sondern greift auch die uralte Tradition auf, vorhandenes Baumaterial weiterzuverwenden. Markant und ungewohnt für einen Museumsraum ist das unregelmäßige Kappengewölbe im Obergeschoss, das dem Ziegelbau von außen die ungewöhnliche Form verleiht, ohne die Harmonie mit der Umgebung am Rand des mittelalterlichen Stadtkerns zu stören.

So sehr sich diese Projekte in die Städte einfügen, so unterschiedlich sind sie. Und doch gibt es ein paar Markenzeichen des Büros: So wenige Materialien wie nötig gezielt einsetzen, die nötige Technik zugunsten der Behaglichkeit der Räume verbergen, mit größeren und kleineren Räumen oder Nischen spielen und sich dabei auch vom Licht helfen lassen, den Raum zu modellieren. Und nicht zuletzt: Ein klares Bekenntnis zur Mauer, zur massiven Wand.

Jórunn Ragnarsdóttir, Lederer Ragnarsdóttir Oei Architekten l Stuttgart

Wofür steht der Freiburger Gestaltungsbeirat? Welche Werte und Haltungen vertritt er? In lockerer Folge stellen die Mitglieder sich und ihre Arbeit vor. Jórunn Ragnarsdóttir ist die Zweite in dieser kleinen Reihe.
Jórunn Ragnarsdóttir stammt aus Island und studierte in den 1970er Jahren Architektur in Stuttgart. Anschließend Mitarbeit im 1979 gegründeten Büro Lederer später Inhaberin. Heute hat das Architekturbüro LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei GmbH & Co.KG 45 Mitarbeiter. Es hat für seine Projekte zahlreiche Auszeichnungen bekommen.

LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei GmbH & Co. KG l Stuttgart
archlro.de/de