• © Ludwig Eith
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Vom Museumsquartier zum Superblock

Mehrtagesexkursion WIEN
Samstag, 30.09. - Dienstag, 03.10.2017

Eine faszinierende Stadt zwischen Tradition und Moderne ist das Ziel der diesjährigen Exkursion. Wir besichtigen Architekturikonen von Adolf Loos, Otto Wagner und Jean Nouvel, studieren neue Wohnkonzepte am Nordbahnhof und in der Donaucity. Das neueste und sehr ambitionierte Stadtentwicklungsprojekt „Seestadt Aspern“ steht ebenso auf dem Programm wie ein Bürobesuch bei ALLES WIRD GUT. Ein weiterer Schwerpunkt führt uns zum WU –Campus mit Bauten von Zaha Hadid architects, Estudio Carme Pinós und Atelier Hitoshi Abe.

Das rote Wien
Herbstexkursion in eine wachsende Stadt

von Gisela Graf, Freiburg | gisela graf communications

Der Wiener Charme ist sprichwörtlich. Wir denken an Kaffeehäuser und gepflegten Kulturgenuss, an Literatur, Film und Kunst – und an Architekturkulissen mit verblasstem Glanz, gespickt mit innovativen Projekten: Wien ist eine ganz spezielle Melange. Das scheinen viele zu wissen, denn die von Touristen gern besuchte Donaumetropole ist eine der wenigen rasant wachsenden Großstädte in Europa – und eine der lebenswertesten.

Warum das so ist, wollte die Reisegruppe aus Freiburg vor Ort herausfinden. Organisiert vom Architekturforum Freiburg, verbrachten die 24 Teilnehmer fast drei Tage damit, sich von aktuellen Projekten vor Ort zu überzeugen. Davon gibt es in Wien genug: ganze Stadtviertel entstehen gerade neu, am bekanntesten wohl die Seestadt Aspern, in der bis 2028 etwa 20.000 Menschen wohnen sollen. Dazu besuchte die Gruppe neue Wohnkonzepte am Nordbahnhof, und auch das Sonnwendviertel beim neuen Hauptbahnhof stand auf dem Programm. Doch sollte sich nicht alles nur ums Wohnen drehen, und so besuchte man auch den neuen Campus der Wirtschaftsuniversität, der nach dem Masterplan des bis dahin kaum bekannten Wiener Büros BUSarchitektur auf dem früheren Messegelände Leopoldstadt in nur vier Jahren entstand. Sechs Bauten mit einer jeweils ganz eigenen Identität, von Architekten wie Peter Cook oder Zaha Hadid Architects bieten hier Raum für Hörsäle, Seminarräume, Mensa, Sportmöglichkeiten und viel Freiraum.

Wo wenn nicht in Wien beschäftigt man sich mit sozialem Wohnungsbau? Und wo wenn nicht hier erkennt man, dass es möglich ist, günstigen Wohnraum zu schaffen, ohne auf Qualität zu verzichten? Dieses Thema zog sich wie ein roter Faden durchs Programm. Der soziale Wohnungsbau hat in Wien eine lange Tradition und wird bis heute konsequent durchgehalten. Angefangen hat es mit dem Roten Wien, als die sozialdemokratische Regierung in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg ein gigantisches Wohnungsbauprogramm ankurbelte, um die Not der Wiener zu lindern und die Lebensqualität in den Miethäusern zu bessern. Bis 1934 waren 65.000 Wohnungen in der ganzen Stadt errichtet. Die Gemeinde wurde zum Projektentwickler, kaufte günstig Grundstücke auf, entzog sie so der Spekulation und finanzierte ihr Vorhaben unter anderem durch eine Wohnbausteuer auf Kosten der Wohlhabenden. Das Ergebnis heute: 60% aller Wiener leben in einer kommunalen oder geförderten Wohnung, davon zahlen die wenigsten mehr als 7,50 Euro pro Quadratmeter. Und dabei wohnen sie in gemischten Quartieren mit vielen Gemeinschaftseinrichtungen.

Dass dies so sein kann, liegt auch daran, dass die Stadt die Regeln bestimmt. „Die Investoren wissen, dass sie das Projekt nicht bekommen, wenn sie nur billig bauen wollen – entschieden wird über die Qualität“, erklärt Herwig Spiegl von AllesWirdGut, dem die Gruppe einen Besuch im Büro abstattete (siehe Rückschau vom Juni 2017, Seite 16/17).

Zwischen den vielen Besichtigungen blieb immer noch genug Zeit für Kaffeehäuser, Würstelbuden und Heurigen. Manche schafften es nach einem vollen Tag sogar noch ins Burgtheater oder genossen in der Bar des Design Tower von Jean Nouvel die Aussicht auf Wien: aus der 18. Etage unter der leuchtenden Deckeninstallation von Pipilotti Rist.