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Umbau und Modernisierung - Universitätsbibliothek Freiburg

Degelo Architekten | Basel

Heinrich Degelo

Die neue Freiburger Universitätsbibliothek steht kurz vor der Fertigstellung. Die aus den städtebaulichen Bezügen entwickelte Gebäudeskulptur weicht vor der Nachbarbebauung zurück und kommt ihr entgegen. Ähnlich einem geschliffenen Diamanten nimmt sie alles Äußere in sich auf und lässt sich von ihm durchströmen, spiegelt es wider, zeigt aber auch das eigene Innere. Transparenz, Anpassungsfähigkeit und Beständigkeit machen den Charakter der modernen Bibliothek aus. Eigenschaften, die auch auf das Innere übertragen wurden: großzügige, offene Raumstrukturen in den internen und den öffentlichen Zonen, sowie transparente Abgrenzungen zwischen diesen beiden Nutzungsbereichen.

Premiere!

Das Architekturforum Freiburg hat sich vom Basler Architekten Heinrich Degelo durch die fast fertige Universitätsbibliothek führen lassen.

von Gisela Graf, Freiburg | gisela graf communications

Öffentliche Gebäude sind eine Art Meilensteine in der Innenstadt. Sie tanzen aus der Reihe und machen auf sich aufmerksam. Ob Theater, Rathaus, Museum oder Kirche: diese Bauten sind meistens erkennbare Solitäre. Trotzdem wird von ihnen erwartet, dass sie sich so ins städtische Gefüge einordnen, dass kein brutaler Bruch mit der Umgebung entsteht. Dieser Weg zwischen Inszenierung und Zurückhaltung kann für den Architekten mitunter eine schwierige Gratwanderung werden.

In dieser Hinsicht ist die Freiburger Universitätsbibliothek eine ganz besondere Herausforderung. Davon konnten sich die Mitglieder des Architekturforums Freiburg bei einem Besuch im Rahmen von „Architektur vor Ort“ überzeugen. Die Kollegen waren die Ersten, denen die UB kurz vor der Fertigstellung vom Architekten Heinrich Degelo, dem Universitätsbauamt Freiburg, vertreten durch dessen Leiter Karl-Heinz Bühler und Projektleiter Andreas Haitz-Fliehmann mit einem Blick hinter die Kulissen vorgestellt wurde.

Als öffentliches Gebäude mit viel Platzbedarf steht die Uni-Bibliothek nicht nur mitten in der Stadt, sondern auch an einer schwierigen Stelle. Jede Seite ist mit einer anderen Situation konfrontiert. Kleinteilig nach hinten zur Milchstraße, großstädtisch nach vorne zur Werthmannstraße, steht sie der Jugendstil-Universität in rotem Sandstein gegenüber. Nebenan konkurrieren das helle neobarocke Stadttheater sowie der Platz der Synagoge mit dem vergleichsweise filigranen Kollegiengebäude II aus den 1960er Jahren.

Der expressionistisch anmutende – und von vielen Freiburgern bereits im Vorfeld argwöhnisch kommentierte – Kubus hat nicht mehr viel mit einem Haus zu tun: eine schwarz glänzende Fassade springt vor und zurück, schräge Wände und schiefe Winkel dominieren. Die glatte Fassade setzt sich aus scheinbar unregelmäßig angeordneten, dunkel mattierten Chromstahlpaneelen und Glasplatten zusammen, sodass sich die Umgebung als gebrochener Widerschein auf der glänzenden Fassade abbildet. Auf diese Weise nimmt sich das Gebäude trotz seiner auffälligen Form wieder zurück und lässt dem bereits Gebauten indirekt den Vortritt. Und die Sonne gestaltet mit: Je nach Wetter, Jahres- oder Tageszeit schimmert die Oberfläche in einem anderen Licht. Ein „roher Edelstein, der zu einem schwarzen Diamanten geschliffen wird“, sei die UB für Degelo. So richtig brillieren kann der Bau erst recht in der Nacht: dann zeigt sich die Transparenz, und die auch in der Nacht betriebene UB leuchtet von innen.

"Das Gebäude darf edel altern und seine Geschichte erzählen."

Heinrich Degelo

Auch energetisch solle der Bau Leuchtturmcharakter haben, betonte Bühler. Durch das um 15.000 Kubikmeter kleinere Volumen und die reduzierte Oberfläche – bei vollem Erhalt der Grundfläche –, zusammen mit Betonkerntemperierung, Brunnenwasserkühlung und Wärmerückgewinnung können jetzt mehr als 60% der Energie eingespart werden. Auf eine Klimaanlage wurde verzichtet. Wichtig für den Energiehaushalt ist auch das Fassadenglas, das nur 27% des Lichts und kaum Temperaturschwankungen durchlässt. So kann man in einem hellen Raum arbeiten, ohne von der Sonne gestört zu werden.

Das Foyer präsentierte sich den Besuchern als ein nach überall hin offener, transparenter Raum. Offene Blickachsen wie über das Café hinaus auf den Platz der Synagoge oder schräg an den Treppen vorbei zum nächsten Innenhof – Degelo ließ sich nach eigener Aussage von den berühmten Piranesi-Treppen inspirieren – lassen einen großzügigen Raumeindruck entstehen. Konsequent bis nach oben ist auch das Material: immer sichtbar, nichts ist lackiert oder kaschiert. Das Gebäude dürfe „edel altern und seine Geschichte erzählen“, so Degelo. Ebenso ehrlich ist die an der Decke sichtbare Haustechnik wie etwa Sprinkleranlage und Rohre. Diese sind nur von Deckensegeln verdeckt, die der besseren Akustik sowie der Wärme- und Kälteregulierung dienen. Die Empfangs- und Cafétheken aus massivem, geöltem Eichenholz bilden einen schönen Kontrast zum sichtbaren Beton und dem anthrazitfarbenen Steinfuß- bzw. Nadelfilzteppichboden in den oberen Geschossen.

Die offene Raumstruktur des komplett barrierefreien Baus zieht sich auch durch alle Arbeitsbereiche, die höchstens durch Glaswände voneinander getrennt sind. Die wissenschaftliche Kreativität soll durch Offenheit, das interdisziplinäre Arbeiten durch vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten gefördert werden. Auch im Großraumbüro der Verwaltung mit 85 Arbeitsplätzen wurde auf Flexibilität und Transparenz Wert gelegt. Der Blickkontakt nach außen ist fast immer möglich, so dass man sich mit der Außenwelt verbunden fühlt und in den oberen Geschossen einen großartigen Blick über Freiburg hat. Auch Kritiker müssen zugeben: ein hermetischer Elfenbeinturm ist das nicht.

Heinrich Degelo, Degelo Architekten, Basel

Die energetische Sanierung des nach gut 30 Jahren schon maroden und nicht mehr tragbaren Vorgängerbaus von 1978 war der ursprüngliche Anlass für die europaweite Ausschreibung eines Wettbewerbs für die Freiburger Universitätsbibliothek. Erst nach der Entscheidung für Degelos Entwurf und im Verlauf der Ausführung erwies es sich als günstiger, alles bis auf das Treppenhaus und den Aufzugsschacht rück- und neu aufzubauen. Die zwei Untergeschosse mit der Fläche je eines Fußballfeldes blieben während der ganzen Zeit des Baus in Betrieb, da die 3,5 Millionen Bücher aus Platzmangel nicht ausgelagert werden konnten. Die Gesamtbaukosten des im Herbst 2015 eröffneten Neubaus betrugen 53 Millionen Euro. Die UB bietet insgesamt 1.700 Arbeitsplätze und ist ganzjährig 24 Stunden / Tag geöffnet. Inzwischen verzeichnet sie täglich 12.000 Besuche.

Degelo Architekten | Basel
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