You’ll never walk alone. Stadtplanung in Zürich.
Amt für Städtebau | Zürich
Patrick Gmür, Direktor Amt für Städtebau
Mit dem Wissen „Ohne Politik keine Stadtplanung“ bewegt sich das Amt für Städtebau der Stadt Zürich in einem sehr komplexen Feld. Stadtplanung geht alle etwas an und steht immer auf der politischen Agenda. Wachstumsprognosen gehen bis in das Jahr 2030 von einem Zuwachs von 40.000 - 70.000 Menschen aus. Der Kanton Zürich fordert zudem zusätzlich Platz für 25.000 Menschen bis 2040.
Die Stadtgrenzen sind jedoch gegeben. Die Umnutzung der ehemaligen Industrieareale ist praktisch abgeschlossen. Und unbebaute, freie Grundstücke gibt es nicht mehr.
Wie gehen wir mit dieser Herausforderung der inneren Verdichtung um? Und wie sichern wir gleichzeitig die Qualität von Architektur und Städtebau?
Wie formen wir das Zürich der Zukunft und bleiben trotzdem diese lebenswerte Stadt, in der wir uns wohlfühlen und die uns Heimat ist?
Der Vortrag fand in Zusammenarbeit mit der Badischen Zeitung statt.
Learning from Zürich
Anderes politisches System – andere Stadtbaukultur. Doch manche Impulse aus der Schweiz lassen sich auch auf Freiburg anwenden.
von Gisela Graf, Freiburg | gisela graf communications
Zürich ist eine attraktive Stadt – so attraktiv, dass viele Menschen dort leben wollen. Ähnlich wie Freiburg ist die Schweizer Metropole eine Zuzugsgemeinde: bis zu 70.000 Menschen muss der Kanton Zürich bis 2030 voraussichtlich aufnehmen. Aber die Stadt hat ihre Grenzen und kann sich nicht weiter ausdehnen. Also muss sie sich im Inneren verdichten. Die Umnutzung von Industriebrachen ist bereits so gut wie abgeschlossen, bebaubare Flächen gibt es kaum noch. Wie kann man unter solchen Umständen eine lebenswerte Stadt gestalten und Wohnraum, Infrastruktur und genügend Grünflächen für alle bieten – und das auf hohem Niveau? In Bezug auf die Stadtplanung gilt Zürich als vorbildlich. Was ist das Rezept dieses Erfolgs? Und was kann Freiburg von Zürich lernen?
Der Direktor des Zürcher Stadtbauamtes, Patrick Gmür, hatte auf Einladung des Architekturforums Freiburg e.V. viel zu erzählen. Das Interesse daran war groß, denn die Veranstaltung im vollen BZ-Haus mit der anschließenden lebhaften, von Wulf Rüskamp moderierten Diskussion war schnell ausgebucht.
Seine Kernaussage nahm Gmür gleich vorweg: Ohne Politik keine Stadtplanung. „You‘ll never walk alone“ lautete sein Vortrag. Stadtplanung begreift er als einen diskursiven Weg, in dem Entscheidungen gemeinsam so getroffen werden, dass am Ende für Alle etwas Positives entsteht. Dafür müsse die Politik aktiv eingebunden werden. Während diese in Legislaturperioden denkt, ist die Stadtplanung eine langfristige Angelegenheit. Die Verwaltung muss daher für Kontinuität sorgen, wenn sie Gutes auch für die kommenden Generationen bewegen will. Hierfür haben die Zürcher Stadtplaner eine kluge Strategie entwickelt. Sie baten die amtierenden Politiker, ihre Visionen für das Jahr 2035 darzulegen. Auf dieser Grundlage erstellten sie ein Konzept zur Umsetzung, mit dem jetzt alle arbeiten.
Was die Kontinuität angeht, hat Zürich leicht reden, denn manche Parameter wie etwa die Qualitätssicherung sind schon seit dem 19. Jahrhundert festgelegt. Überhaupt spielt die bauliche Qualität eine große Rolle. „Das Neue muss mindestens die gleiche Qualität haben wie das Bestehende, das ist nachhaltige Stadtplanung“ meint Gmür dazu. Gesichert werden solche Kriterien durch Gesetze, Gremien und eine offene Wettbewerbskultur. Die Gesetze sind absichtlich vage formuliert: man liest dort zum Beispiel von einer „befriedigenden Gesamtwirkung“ – was darunter zu verstehen ist, müssen die Gremien – zum Beispiel das Baukollegium, das sich aus Politikern, Verwaltern und externen Experten zusammensetzt – miteinander lösen. „Verhandlungsurbanismus“ nannte Gmür diese Form der kooperativen Planung.
Gesetze, guter Wille und Diskurs sind das eine, doch wie sieht die Praxis aus, wenn einfach kein Platz vorhanden ist? Zunächst einmal muss die Stadt analysiert werden. Städte seien wie Menschen, meinte Gmür. Jede ist anders, jede hat andere topografische Voraussetzungen, einen anderen Grundriss, eine andere Geschichte, eine andere Identität. Diese eingeschriebene DNA, die Dynamik des Wachstums eines solchen Organismus wird zur Grundlage aller weiteren Planungen. Für jede Parzelle wird genau festgelegt, wie sie bebaut werden darf. Das kann auch bedeuten, dass manche Areale neu gedacht werden müssen. Wo die Planer Potenzial ermittelt haben, werden in einer kooperativen Entwicklungsplanung Lösungen erarbeitet. Und wo verdichtet wird, muss auch für Schulen, Grünflächen, Arbeitsplätze und die nötige Infrastruktur gesorgt werden. Unter Umständen muss abgerissen und neu gebaut werden – aber nicht ohne etwa den denkmalgeschützten Bestand zu berücksichtigen oder die Maßstäblichkeit einzuhalten. Solche Dinge werden im kommunalen Richtplan festgeschrieben, der für alle Beteiligten wie Architekten, Politiker, Eigentümer bindend ist, aber auch Planungssicherheit gibt. Derartige Veränderungen liefern natürlich Stoff für Debatten und Diskussionen – natürlich gebe es die, antwortete Gmür auf Nachfrage gelassen: „30-40% der Bevölkerung sind immer dagegen“. Doch gerade weil diese über die direkte Demokratie mehr einbezogen sei, gehöre dies zu den Prozessen der Entscheidungsfindung. In einem Punkt jedoch hat die Stadt Zürich ungewöhnlich viel Gestaltungsfreiheit: die Hälfte der Fläche gehört der Stadt. So kann sie unter anderem ein aktives Wohnungsbauprogramm betreiben und verhindern, dass die ansässige Bevölkerung wegen zu hoher Preise vertrieben wird.
Gemeinsam und zielführend an einer Sache arbeiten, die Politik, die die Ideen der Stadtplanung nach außen vertreten muss frühzeitig in die Prozesse einbinden – das scheint also das Erfolgsrezept zu sein. Ein Impuls für Freiburg, auch wenn die Voraussetzungen andere sind.
Patrick Gmür, Direktor Amt für Städtebau Zürich
Zürich gilt als eine der Städte mit weltweit höchster Lebensqualität. Mit etwa 400.000 Einwohnern (in der Metropolitanregion sind es 1,83 Millionen) hat die Stadt an der Limmat etwa die gleiche Grundfläche wie Freiburg. Prognosen gehen von einem Zuwachs von 40-70.000 Menschen bis in das Jahr 2030 aus. Der Kanton Zürich fordert zusätzlichen Platz für 25.000 Menschen bis 2040. Der Architekt und Stadtplaner Patrick Gmür leitet das Zürcher Amt für Städtebau seit 2009. Mit seinen 120 Mitarbeitern setzt er sich für die Entwicklung lebenswerter Quartiere von hoher Qualität ein. Dazu sucht er die enge Zusammenarbeit mit Stadt- und Gemeinderat, Investoren, Grundeigentümern und der Stadtbevölkerung. Wichtig ist ihm dabei eine ganzheitliche Sicht auf die Stadtentwicklung: darunter versteht er, den genetischen Code, der eine Stadt ausmacht, zu verstehen und darauf aufzubauen.