Parameter im Wohnungsbau
zanderroth architekten l Berlin
Sascha Zander
Sascha Zander und Christian Roth gründeten 1999 das Büro zanderroth architekten in Berlin. Als junges Büro wollten sie damals Architektur nicht nur denken, sondern auch bauen. So erarbeiteten sie ein effektives Baugruppenkonzept, mit dem sie zahlreiche Wohnungsbauprojekte in Berlin selbst entwickeln und realisieren konnten. Neben ihrem Schwerpunkt auf innovativem Wohnungsbau werden im Büro mit gleichem Engagement Schulen entworfen, elektrische Betriebsgebäude entwickelt oder ungeliebte Plattenbauten weitergedacht. Die Architektur von zanderroth architekten zeichnet sich durch Konsequenz in Konzept, Organisation und Gestaltung aus, wie zum Beispiel die mehrfach ausgezeichnete Wohnanlage in der Zelterstraße oder das Wohnhaus in der Schönholzer Straße.
In seinem Werkbericht präsentiert Sascha Zander die dem Büro eigenen Parameter im heutigen Wohnungsbau.
Let’s talk about money
Wenn man als Architekt rechnen kann, ist das nicht nur lukrativ, sondern auch kreativ. Das bewies der Berliner Architekt Sascha Zander von zanderrotharchitekten mit seinem Vortrag „Parameter im Wohnungsbau“.
von Gisela Graf, Freiburg | gisela graf communications
Über Wohnungsbau wird derzeit auch über Architektenkreise hinaus viel diskutiert. Wir brauchen dringend Wohnraum für eine wachsende Bevölkerung mit sich ändernden Ansprüchen. Gleichzeitig soll der Wohnraum günstiger, ökologischer und sozialer werden. Das Grundproblem dabei: wenn es um Geld geht, leidet die bauliche Qualität. Sascha Zander vom Berliner Büro zanderrotharchitekten sprach im voll besetzten Architekturforum Freiburg e.V. über Geld und Zahlen – und präsentierte seinem Publikum nachahmenswerte Lösungen.
Als die jungen Architekten Sascha Zander und Christian Roth 1999 ihr Büro gründeten, wurde in Berlin wenig gebaut. Das änderte sich zwar, aber die Beiden waren mit der Qualität nicht einverstanden: „Berliner Bauträger waren nur an Kopien von Gründerzeitbauten interessiert“, so Zander. „5 Jahre lang haben wir gehungert“. Dann kam die rettende Idee. Sie analysierten das Geschäft mit Bau und Boden und lernten, wie das System funktioniert. 2004 gründeten sie eine zweite Firma: smarthoming. Diese übernimmt alles, was sonst Bauträger, Investoren und Projektentwickler tun, mit einem großen Unterschied: Die Firma handelt nicht, sondern die künftigen Eigentümer schließen sich in einer Gesellschaft zusammen, die ihr Grundstück gemeinsam kauft und den Bau beauftragt. smarthoming vermittelt, berät und organisiert, sorgt für die Planung, Projektentwicklung und –steuerung und Vermarktung. Die Architekten sind jetzt zu 60% ihre eigenen Auftraggeber. Inzwischen sind die Zanderroths bekannt für ihren ambitionierten und zugleich kostengünstigen Wohnungsbau.
Mit ihren Analysen und dem daraus gewonnenen Wissen ermittelten die Architekten für sich drei Parameter. Parameter 1: In Deutschland werden mehr als die Hälfte der Wohnungen in Einfamilien- und Doppelhäusern gebaut – was langfristig zu Flächenfraß führt. Deshalb soll der tägliche Flächenverbrauch für Siedlungen und Verkehr bis 2020 von 73 auf 30 Hektar reduziert werden. Um aber zugleich die Wohnkultur zu erhalten, gilt es, die Qualitäten des Einfamilienhauses in den urbanen Kontext zu übertragen. Das heißt zwar Geschosswohnungsbau, aber mit Konzepten, die mehr können als Blockrandbebauung: Flexible Module, die auf individuelle Wünsche der Käufer reagieren, von vornherein eingeplanter Freiraum und viel Licht. Ein gelungenes Beispiel dafür ist die Wohnanlage ze05 in der Zelterstraße 5 in Berlin.
Parameter 2: Gesellschaftlicher Wandel ist nicht langfristig planbar. Die Bevölkerung in den Städten wächst und schrumpft. In Berlin hat sich die Zahl der Einwohner von 1850 bis 1925 auf vier Millionen verzehnfacht, danach sind es kontinuierlich weniger geworden. Seit 2012 wächst Berlin wieder um knapp 50.000 Einwohner im Jahr. Die daraus folgende These: Flexible Strukturen in der Architektur lassen ein breiteres Handlungspektrum offen. Le Corbusiers „Dom-ino“ von 1914 folgend, kann man in eine Struktur ohne tragende Innenwände beliebiege Grundrisse implementieren und verändern. Auch das Projekt cb19 (Christburger Straße 19) hat keine tragenden Innenwände. Die Wohnungen erschließen sich durch den Aufzug, es gibt nur ein Sicherheitstreppenhaus. Das ist sehr platzsparend und lässt viel Spielraum beim Verändern der Module zu.
Parameter 3: Immobilienerträge steigen überproportional zum Einkommen der Menschen. Berlin hat für Immobilienentwickler derzeit die höchsten Ertragsperspektiven – und das in einer Stadt, in der das durchschnittliche Nettoeinkommen eines Haushalts nur 1.171 Euro monatlich beträgt (zum Vergleich in Bayern: 1.631 Euro). Wenn unter diesen Umständen an der Schraube Baukosten gedreht wird, haben Architekten keine Freiheiten mehr in Bezug auf Gestaltung und Qualität. Deshalb, betonte Zander, sei die vordringliche Aufgabe von Architekten, effiziente Gebäudetypologien zu entwickeln, die bezahlbar bleiben und die Wohnqualität erhalten. Beim Projekt li01 (Liebigstraße 1) stehen sechs Punktwohnhäuser mit flexiblen Grundrissen in einem kleinen Park. Balkone und Loggien wechseln sich ab, sodass eine lebendige Fassade entsteht. Auf diese Weise konnte Monotie vermieden werden – einer der Hauptkritikpunkte am ungeliebten Plattenbau, den Zander nicht für grundsätzlich schlecht hält.
Mit dem aktuellen gesellschaftlichen Wandel kommt eine neue Verantwortung auf Architekten zu. Zanderrotharchitekten ist es gelungen, analytisches ökonomisches Denken mit ihrem Qualitätsanspruch an Architektur zu verbinden. Auch wenn in Berlin Vieles anders funktioniert als in Freiburg: Wer den Markt kennt, kann sich mehr Spielraum für Kreativität verschaffen. Das zahlt sich aus.
Sascha Zander, zanderroth architekten l Berlin
Sascha Zander und Christian Roth gründeten 1999 das Büro zanderroth architekten in Berlin. Neben ihrem Schwerpunkt auf innovativem Wohnungsbau, entwirft das Büro Schulen, entwickelt elektrische Betriebsgebäude oder denkt ungeliebte Plattenbauten weiter. Die Architektur von zanderroth architekten zeichnet sich durch Konsequenz in Konzept, Organisation und Gestaltung aus, wie zum Beispiel die mehrfach ausgezeichnete Wohnanlage in der Zelterstraße oder das Wohnhaus in der Schönholzer Straße.
zanderroth architekten l Berlin
www.zanderroth.de/de/