• © Snøhetta Oslo l Innsbruck
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Landschaftstypologien

Snøhetta l Oslo l Innsbruck

Arch. DI. Patrick Lüth

Bekannt sind die norwegischen Architekten von Snøhetta unter anderem für das spektakuläre Opernhaus in Oslo, welches sie in einem Wettbewerb 1999 für sich entscheiden konnten. Das markanteste Merkmal dieses Kulturprojektes ist das begehbare Dach. Diese künstliche Landschaft ist der Prototyp einer architektonischen Typologie, die Snøhetta immer wieder einsetzt. Die gebaute Landschaft agiert als soziales Werkzeug, die nicht-kommerziellen, unprogrammierten öffentlichen Raum zur Verfügung stellt.
Andere Snøhetta-Projekte, wie der Rentierpavillon im Dovrefjell in Norwegen verstehen sich als Solitäre im Naturraum, die sich ihrem Landschaftskontext unterordnen.
Patrick Lüth, Partner bei Snøhetta Innsbruck und Leiter der österreichischen Dependance des international tätigen Büros, wird anhand von verschiedenen Beispielen erläutern, wie Landschaft und Architektur bei Snøhetta eng miteinander verwoben sind.

Kooperation l Stadt Freiburg l FWTM l BDA l AKBW l Caparol l JUNG

Snøhetta und das Gespür für Schnee

Patrick Lüth von Snøhetta über die Bedeutung von Landschaft für das norwegische Architekturbüro

von Gisela Graf, Freiburg | gisela graf communications

Die Snøhetta ist einer der höchsten Berge Norwegens. Besonders markant sind die drei fast immer schneebedeckten Gipfel. Das Osloer Architekturbüro Snøhetta hat sich nicht nur mit Namen und Logo dem Berg verschrieben, sondern er ist auch identitätsstiftendes Motto für das Team, das ihn jedes Jahr gemeinsam besteigt. Das ist nicht so nebensächlich wie es klingt, zumal die Landschaft bei Snøhetta eine große Rolle spielt. Die in Skandinavien ausgeprägte Liebe zur Natur und den starken Gemeinschaftssinn durften die 340 Zuhörer im Freiburger Konzerthaus nun zum zweiten Mal – nach C.F. Möller aus Aarhus im Jahr zuvor – erleben.

Ebenso erlebbar war, wie sich diese Werte in der Arbeitsweise und damit im Werk des Osloer Büros ausdrücken. Die kreativen Prozesse verlaufen interdisziplinär und interaktiv – auch Landschaftsarchitekten und Designer arbeiten im Büro mit, das im Übrigen gerade die neuen norwegischen Banknoten gestaltet. Entscheidungen werden kollektiv getroffen. Zur Diskussion – und nicht erst zur Präsentation für den Auftraggeber – dienen selbst hergestellte Modelle. Das ist aufwändig, aber kommunikationsstark und wirkungsvoll, wie die vorgestellten Projekte belegen.

Eines der bekanntesten Bauwerke ist sicherlich das Opernhaus in Oslo, das 2008 fertiggestellt wurde. Wie eine Eisscholle, die an der Nordseeküste gestrandet ist, ragt der Bau flach aus dem Wasser und faltet sich mit einer breiten begehbaren Rampe hinauf bis zum Dach. Der massive, weiße Carrara Marmor unterstreicht diesen winterlichen Eindruck, kleine Unebenheiten machen den Boden ähnlich unregelmäßig wie in der Natur. Damit haben die Architekten aus einem Gebäude eine künstliche (Schnee-) Landschaft mitten in der Stadt geschaffen: Man kann der Oper buchstäblich aufs Dach steigen, und das ist willkommen. Snøhetta wollte damit die Oper zu einem öffentlichen Ort für alle machen, und nicht nur für ein paar wenige Opernbesucher. Im Innern überzeugt der Bau mit einer eindeutigen Materialwahl: es dominiert massive Eiche.

„Wir versuchen immer, soziale Landschaften aus unseren Projekten zu machen und diese auch bei Investoren durchzusetzen“, betonte Patrick Lüth, der die Innsbrucker Dependance leitet. So wird Snøhetta in Bozen die Seilbahnstationen auf den Virgl zu einer zwar über den Bergrand hinauskragende, begehbare Rotunde gestalten, die sich trotz der auffälligen Form in die Landschaft integriert und einen weiten Panoramablick ins Tal freigibt.

Klein und fein ist wiederum der Norwegian Wild Reindeer Centre Pavilion mitten im Dovrefjell Nationalpark, der die sagenumwobene Snøhetta umgibt. Von hier aus können Wanderer wilde Rentiere und Moschusochsen beobachten, den grandiosen Ausblick genießen und sich zugleich in einem geschützten, höhlenartigen Raum aufhalten und wärmen. Von außen ist der Pavillon ein rechteckiger Körper mit klaren Linien, der sich von der kargen Landschaft abhebt, im Innern wirken die von einer Schiffbaufirma ins Kiefernholz gefrästen organischen Formen wie von Wind und Wetter geschliffen.

Die Freiburger hätten übrigens beinahe „einen Snøhetta“ vor der Haustür gehabt: Für den Entwurf des Hotel Belchenhaus erhielt das Büro den 2. Preis. Ein Hochhaus auf dem Belchengipfel wäre freilich wagemutig gewesen, gab Lüth selbst zu, schwärmte aber doch von der Aussicht auf den Schwarzwald, die man von dort gehabt hätte.

„Wir versuchen immer, soziale Landschaften aus unseren Projekten zu machen und diese auch bei Investoren durchzusetzen.“

Patrick Lüth

Wer nach diesem Bericht den Eindruck hat, Snøhetta hätten eine Vorliebe für mächtige Bergmassive und raue Winterlandschaften, der sei daran erinnert, dass sich das Büro auch aufs Bauen in der Wüste versteht: So nähert sich gerade das King Abdulaziz Centre for World Culture in Saudi-Arabien seiner Fertigstellung im Jahr 2017.

Patrick Lüth, Snøhetta | Oslo, Innsbruck

Snøhetta wurde 1989 als eine Arbeitsgemeinschaft von Architekten und Landschaftsarchitekten gegründet . Als junges Team gewannen die Norweger überraschend den offenen internationalen Wettbewerb für die Bibliotheca Alexandrina in Ägypten. Inzwischen hat das Osloer Büro Zweigstellen in NewYork, Innsbruck, San Francisco, Stockholm, Singapur und Adelaide mit insgesamt 200 Mitarbeitern. Im Mai 2016 wurde die Erweiterung des San Francisco Museum of Modern Art (sfmoma) eröffnet, dem nun größten Museumsbau in den USA.

2004 erhielt das Büro den Aga Khan Preis für Architektur, 2009 den Mies van der Rohe Preis für europäische Architektur und zuletzt den Preis des Wall Street Journals für das kreativste Unternehmen des Jahres 2016.

Dieser Vortrag war Teil einer Veranstaltungsreihe, die in Kooperation mit der Stadt Freiburg, der FWTM, dem BDA und der Architektenkammer Baden-Württemberg und mit Unterstützung der Firmen Caparol und Jung einmal im Jahr stattfindet. Bereits zum fünften Mal wurde ein international bekanntes Architekturbüro ins Konzerthaus Freiburg eingeladen. „Es bedarf solcher Abende wie heute, von denen wir uns inspirieren lassen, die uns anregen und die Diskussionen anstoßen, damit wir die Architekturqualität in Freiburg weiterentwickeln und der Öffentlichkeit vermitteln können“, betonte Baubürgermeister Martin Haag in seiner Einführung.

Snøhetta l Oslo l Innsbruck
snohetta.com