• Musée Camille Claudel / Nogent-sur-Seine © Stephan Girard
  • Musée Camille Claudel / Nogent-sur-Seine © Stephan Girard
  • Maison des roses | Sermange © Stephan Girard

Museen und kleine Bauten l Musées et petites constructions

Architectures Scaranello l Besançon

Adelfo Scaranello

Aus der Aura des Ortes, in den er baut, und Impulsen aus der zeitgenössischen Kunst generiert Adelfo Scaranello die Leitmotive für sein Werk. Seine Projekte sind «angemessene Architekturen» im Hinblick auf ihren lokalen Kontext. Die subtile Neubearbeitung konventionneller Typologien führt zu Bauten von archaischer Ausdruckskraft.

Vortrag in französischer Sprache mit Übersetzung ins Deutsche.

La démarche architecturale d’Adelfo Scaranello développe des aspects particuliers liés aux spécificités locales et à l’art contemporain. Ses projets sont des «architectures mesurées» quant à leur appartenance à un lieu. Le remaniement subtil des typologies conventionnelles débouche sur des réalisations d’une grande intensité expressive.

Conférence en langue française avec traduction en allemand.

Diese Veranstaltung findet im Rahmen der Architekturtage 2016 des Europäischen Architekturhauses statt.

Kooperation l MEA l Centre Culturel Français Freiburg

Subtil und archaisch

Adelfo Scaranello aus Besançon arbeitet nah an der Schnittstelle zur Kunst

von Gisela Graf, Freiburg | gisela graf communications

Wie jedes Jahr lud das Architekturforum Freiburg im Rahmen der trinationalen Architekturtage einen Architekten aus Frankreich ein. Nicht nur im geografischen Sinn war es naheliegend, diesmal Adelfo Scaranello aus Besançon nach Freiburg zu bitten: Erst zehn Tage zuvor fand eine Exkursion in die Partnerstadt Freiburgs statt. So ließ sich das vor Ort Gesehene wunderbar mit dem Architekten und seiner Haltung verbinden.

Vor seiner Laufbahn als Architekt war Adelfo Scaranello Bildhauer – und so durchzieht die Kunst sein Werk, was sich nicht nur in der Zusammenarbeit mit Künstlern äußert, sondern auch in seiner Vorgehensweise. Scaranello erlaubt es sich, sich den künstlerischen Freiraum zu schaffen, den er für seine Arbeit braucht. Er nimmt sich mit seinen fünf langjährigen Mitarbeitern viel Zeit, um ein Projekt zu entwickeln und setzt sich intensiv mit der Aura des Ortes, den er vorfindet, auseinander. Ganz bewusst nimmt er Bezug auf zeitgenössische Kunstwerke und erweist ihnen seine Reverenz, indem er sie zitiert und in seine Architektursprache umsetzt. Er arbeitet ausdrücklich gerne im ländlichen Raum, verwendet möglichst wenige Materialien, diese aber mit Vorliebe aus der lokalen Umgebung und verarbeitet sie mit traditionellen Handwerksmethoden, ohne die neueste Technik zu verachten, wenn sie notwendig ist. Damit erstellt er abstrakte, ja minimalistische Formen – und jeder Architekt weiß, wie komplex es sein kann, einfach zu bauen.

Das Musée Camille Claudel in Nogent-sur-Seine wird 2017 eröffnet. Hier gilt es, einen Komplex mit sehr unterschiedlichen Fassaden zu sanieren und einen Neubau anzufügen. Da es in der Region Tradition ist, Backstein im Mauerwerk dekorativ einzusetzen, entschied sich Scaranello dafür, hauptsächlich dieses Material zu verwenden. Die Bildhauerin Claudel kam 1876 als Jugendliche nach Nogent und fing dort an, den vor Ort vorgefundenen Ton zu modellieren – der Beginn ihrer künstlerischen Karriere. Diese frühen Werke sind neben den bekannten Bronzen Teil des Museumsbestands. Scaranello ließ die Bodenplatten des Museums wie die frühen Skulpturen aus Ton und in Handarbeit anfertigen und stellte so einen Bezug zur Künstlerin her.

Beim Musée des Beaux Arts et d’Archéologie in Besançon, das 2017 wieder eröffnet wird, geht es um das Respektieren zweier historischer Architekturen: die Markthalle von Pierre Marnotte (1835-1843) und die innere Struktur in „Béton brut“ des Le Corbuiser-Mitarbeiters Louis Miquel (1967-1970). Das imposante Gebäude konnten die Teilnehmer der Besançon-Exkursion kurz zuvor live auf der Baustelle begutachten.

Für die Fassade des Musée de l'Abbaye à Saint Claude (Jura, 2008) verwendete der Architekt wie Messing schimmernde Metallplatten, die wie traditionelle Schindeln anmuten und je nach Lichteinfall und -reflektion das Gebäude leuchten oder fast verschwinden lassen. Bei einem kleinen Einfamilienhaus am Doubs (Maison aux roses, Sermange) wendete er im Grundriss die traditionelle Raumordnung mit zentralem Kern an, dessen Kamin das ganze Haus mit Wärme versorgt. Die Fassade jedoch ist so gestaltet, dass jede Seite anders und das Volumen des Hauses von außen nicht zu erkennen ist – ein Bezug auf das Werk des Schweizer Künstlers Markus Raetz. Auch für den religiösen Rückzugsort Les Fontanilles in Maurellas-las-Illas in den Pyrenäen übernahm er die lokale Grundrisstypologie, und auch hier verwendete er möglichst wenig Material: Stützen aus Cortenstahl erinnern an die typischen Korkeichen, die lokale Erde verwendet er als Zuschlagstoff für den Beton, den er wie Lehm verarbeiten lässt, sodass die Textur so „brut“ erscheint wie die dortigen Felsen. Perforierungen an der Kirchenwand erinnern an die Skulpturen des Künstlers Ulrich Rückriem – dessen Stele auf dem Augustinerplatz den Freiburgern bekannt sein dürfte. So bearbeitet Scaranello konventionelle Typologien auf subtile Weise neu und schafft Bauten von archaischer Ausdruckskraft.

Adelfo Scaranello, Architectures Scaranello l Besançon

Adelfo Scaranello (Jahrgang 1958) stammt aus Besançon und hat 2002 Architectures Adelfo Scaranello gegründet. Seit 2005 lehrt er Entwerfen an der „École d’architecture de la ville et des territoires de Marne la Vallée“ bei Paris. Dort leitet er seit vielen Jahren ein Seminar über die Beziehung von Kunst und Architektur. Kennzeichnend für sein von der Kunst inspiriertes Werk ist die konzeptuelle Herangehensweise und der starke Bezug auf die vorgefundene Situation des Ortes, der Materialien und der Landschaft. Diese Vorgehensweise wendet er auf unterschiedliche Raumprogramme, ob simple Fischerhütte oder komplexes Museum, an.

Architectures Scaranello l Besançon