Einfach bauen.
PETER HAIMERL . ARCHITEKTUR | München
Dipl. Ing. Peter Haimerl
'Klassische Architektur ist für mich nichts wert, weil die Raumverankerung fehlt. Sie hat keine Bedeutung, und sie hat keine Stärke. Weder intellektuell noch emotional. Bei meinen Arbeiten geht es mir immer um Raumflüsse, um Anziehungen und Abstoßungen. Meine Projekte sind keine Ansammlung von schnittigen Details', sagt Peter Haimerl. Der Münchner Architekt konzentriert sich auf Projekte, die die Grenzen konventioneller Architektur überschreiten.
Seine Arbeiten fusionieren Architektur mit Computerprogrammierung, Soziologie, Wirtschaft, Politik oder konzeptioneller Kunst. Seit 2010 rettet der in Eben bei Viechtach im Bayerischen Wald geborene und aufgewachsene Haimerl Waldlerhäuser und formt sie zu bewohnbaren Hausskulpturen. Er fängt die Seelen baufälliger Häuser ein, schreibt die Presse. Im Rahmen eines Modellvorhabens sanierte er auch das Zentrum des 1980-Einwohner-Ortes Blaibach. Herzstück der Maßnahme ist ein modernes Konzerthaus, das 2014 eröffnet wurde. Der visionär monolithische Bau steht für zeitgemäßen Minimalismus und hat das Image der ganzen Region nachhaltig verändert.
Für seine zukunftsweisenden Ideen und aufsehenerregenden Projekte wurde Peter Haimerl mit zahlreichen Preisen geehrt.
In Kooperation mit | Ensemblehaus Freiburg
Mit Unterstützung von | InformationsZentrum Beton | Becherer | alsecco | Lithodecor
Kompliziert denken – Einfach bauen | Wie Architektur Impulsgeber für einen Strukturwandel werden kann
von Gisela Graf, Freiburg | gisela graf communications
Einfach und Bauen passen nicht zusammen, meint der Münchner Architekt Peter Haimerl. In diesem doppelsinnigen Gegensatz steckt viel, denn gerade das Einfache zu erreichen ist mitunter sehr kompliziert. In der Architektur bedeutet das häufig einen erhöhten Planungs- und Realisierungsaufwand. Was Haimerl viel mehr im Sinn hat ist: einfach machen, einfach loslegen und nicht lange zögern.
Im Freiburger Ensemblehaus stellte Haimerl vor, was er einfach so gebaut hat; unter anderem das Konzerthaus im oberpfälzischen Blaibach, mit dem er international viel Aufsehen erregt hat. Diese „gekippte Schuhschachtel“, wie er selbst sie nannte, wirkt so grob und schlicht, und doch wird sie in Bezug auf Akustik als eines der besten Konzerthäuser der Welt geführt (Zitat Haimerl). Insofern hat dieser Vortrag genau am richtigen Ort stattgefunden: in einem Haus des Klangs und der Musik.
Wie es dazu kam, dass ausgerechnet ein fast verlassenes 2.000 Seelen-Dorf im Bayerischen Wald zu einem ständig ausgebuchten Konzerthaus mit 200 Plätzen kam, erzählte der Architekt mit munterer Ironie und bayerischem Charme. Nachdem er für sich selbst ein Haus in seinem Heimatdorf nah an der tschechischen Grenze saniert hatte, entdeckte er den ländlichen Raum für sich und beschloss, die von Strukturschwäche und Bevölkerungsabwanderung geplagten Dörfer zu revitalisieren. Er gründete die Firma „Hauspaten Bayerwald KG“ und suchte in Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalpflege Häuser, die mit Patenschaften gekauft und umgebaut werden sollten. Fündig wurde er schließlich in Blaibach. Er geriet dort nicht nur an genügend leerstehende Bauwerke, sondern auch an einen aufgeschlossenen Gemeinderat, an ein Förderprogramm des Bayrischen Ministeriums zur beispielhaften Sanierung von Ortsmitten und nicht zuletzt an den aus der Gegend stammenden und weltweit erfolgreichen Bariton Thomas E. Bauer. Diese Mischung, gepaart mit einem hohen Maß an Eigeninitiative und vielen freiwilligen Helfern führte zum Unmöglichen: dem Bau des Konzerthauses mitten in der Provinz und weiterer Bauten – mit Haimerl als Stadtplaner, der seine Aufgabe vor allem im „Makeln und Kuppeln“ sah, was letztendlich Sponsorengelder einbrachte.
„Wenn man einfach bauen will, heißt das, dass man simple Ideen aufgreift. Erstens: es gibt kein Geld, zweitens: es muss gut klingen“. Wegen der Akustik war also klar, dass der Raum eine Schachtel sein musste. Wegen der Hanglage des Dorfes wurde die Schachtel gekippt – so hatte man auch gleich ein auffallendes Gebilde mitten im auch ansonsten heterogenen Ortskern. Die Fassade sollte aus Granit sein, weil Blaibach eine traditionelle Granithauerstadt ist, und so wurden mit viel ehrenamtlicher Fleißarbeit Steine gehauen. Mit im Boot war Haimerls Frau, nicht nur als Steineklopferin, sondern als Künstlerin: in fotografischen Inszenierungen taucht die „schwarze Frau“ fast gespenstisch immer wieder in alten Gebäuden auf, die sich in einem Zwischenzustand befinden und erzählt mit irritierenden Details die Geschichten dieser Häuser. Diese Fotos des Künstlerduos Beierle-Görlich kursierten im Dorf und waren für die Kommunikation und die Akzeptanz bei den Dorfbewohnern sicherlich hilfreich. Der eigentliche Clou des Gebäudes befindet sich im Innern: für die Absorption des Klangs sorgen nicht etwa wie sonst Plüschsessel und Holz, sondern ganz schlicht und einfach grober, bewusst fehlerhafter Glasschotterbeton. Die maximal komplizierte Oberfläche mit ihren Faltungen und Löchern, die so simpel wirkt, sorgt für die gelobte Akustik. Unter anderem das ist „Einfach Bauen“.
„Wir planen so wenig wie möglich und ändern so oft wie es geht.“
Peter Haimerl ist Architekt und Stadtplaner und gründete 1991 sein eigenes Büro, nachdem er bei namhaften Büros wie Günther Domenig, Raimund Abraham und Klaus Kada gearbeitet hatte. Er übernahm zahlreiche Gastprofessuren und Forschungsprojekte, darunter die Plattfor zoomTown zur Optimierung und Reorganisation der städtischen Umwelt. Mit der Initiative Hauspaten engagiert er sich für die Baukultur im Bayerischen Wald. Für seine Arbeit erhielt er zahlreiche Auszeichnungen wie den Deutschen Architekturpreis, den Architekturpreis Beton und die Große Nike des BDA für soziales Engagement.
PETER HAIMERL . ARCHITEKTUR | München
www.peterhaimerl.com