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Tadao Ando - über eine philosophische Erkundung seiner Architektur

Prof. Dr. Günter Figal | Philosoph | Freiburg

In seinem Vortrag stellt der in Freiburg lebende Philosoph Prof. Dr. Günter Figal seine wichtigsten Überlegungen seines vor Kurzem erschienenen Buches vor: „Ando – Raum Architektur Moderne“. Er versucht zu klären, warum sich ein Philosoph für Architektur interessieren kann (und interessieren sollte), und welche Fragen sich im Zusammenhang eines solchen Interesses ergeben (können). Es geht um die Architektur als gebauter Raum, um den Kunstcharakter der Architektur und darum, wie sich aus der Erfahrung moderner Architektur ein Verständnis der Moderne gewinnen lässt.

Er selbst sagt dazu: „Andos Bauten erschließen sich wie Gärten, indem man sie durchwandert und die Möglichkeiten der Raumerfahrung wahrnimmt, die sie aufschließen. Ich versuche zu zeigen, wie sich Andos Bauten über ihre Wege und Treppen organisieren und wie sie im Spiel von Innen und Außen, von Öffnung und Bergung und von Licht und Schatten zeigen, was Raum ist. Ich versuche, die eigentümliche Ruhe zu verstehen, die sich in Andos Bauten einstellt, und ich möchte verstehen, was das Moderne dieser Bauten ist, die ganz selbstverständlich neben traditionellen Bauwerken stehen können. Dabei komme ich auf den Begriff der Einfachheit, der mir ein Schlüssel für das Verständnis einer Kunst zu sein scheint, die zwar ‚von Heute’ ist, aber sich im Heute nicht erschöpft.“

Auf der Suche nach dem zeitlosen Raum

Der Freiburger Philosoph Günter Figal stellt Fragen an die Architektur und die Moderne

von Gisela Graf, Freiburg | gisela graf communications

Architekten schaffen Räume, das gehört zu ihrem Metier. Doch was ist Raum? Das ist eine typisch philosophische Frage, die niemand leicht beantworten kann, obwohl oder gerade weil wir täglich von Räumen umgeben sind. Frank Lloyd Wright, der Gründervater der Moderne, erklärte es zum architektonischen Programm, durch room, also den gebauten Raum, den Raum selbst, nämlich space erfahrbar zu machen. Räume, denen dies gelinge, eigneten sich am besten dafür, das Wesen des Raums zu ergründen, stellte Günter Figal im Architekturforum seinen philosophischen Erkundungen über Ando. Raum Architektur Moderne voran.
Dabei hat die westliche Philosophie der Architektur und dem Raum bisher wenig Beachtung geschenkt. Zwar beschäftigt sie sich mit Kunst und Ästhetik, doch nur mit den autonomen Künsten wie der Dichtung, Musik, Skulptur und Malerei und kaum mit der angewandten, also zweckgebundenen Kunst. In Japan gibt es diese Trennung nicht: Eine Teeschale gilt als Kunstwerk, auch wenn sie benutzt wird. Erst das Programm des Bauhauses löste laut Figal diese Kunstauffassung auf und erklärte die Architektur zu der Kunst, die alle anderen Künste in sich vereint.
Nach Figal ist es gerade diese künstlerische Architektur der Moderne, die den Raum reflektiert und damit philosophische Erkundungen über die Frage nach dem Raum ermöglicht. Besonders anschaulich und klar sei dies an Bauten Tadao Andos. Mit den einfachen, geometrischen Formen und Materialien wie Beton und Glas orientiert sich Ando an den Prinzipien der Moderne. Vor allem aber gilt seine Aufmerksamkeit dem Raum, was Figal an Beispielen wie dem Nishida Kitarô Museum of Philosophy, dem Tempel Hompuku-ji auf der Insel Awaji oder dem Benesse House Museum auf Naoshima belegt. Andos Bauten sind, so Figal, eher Baulandschaften als Baukörper. Man muss sich ihnen langsam, manchmal sogar beschwerlich, nähern und erlebt oft unerwartete Wendungen. Diese Inszenierungen des Weges verstärken das Gefühl des Angekommenseins, es entsteht der Eindruck von Ruhe, Stille, Weite und Freiraum – Andos Räume sind einfach Raum und sonst nichts. Freiburger können diese meditative Harmonie im Konferenzpavillon auf dem Vitra Campus in Weil selbst erfahren.
Bei Ando fand Figal Räume, die einfach und zeitlos sind, sich keinem Stil unterordnen und mit der traditionellen japanischen Architektur korrespondieren. Liegt es daran, dass Letztere heute noch Gültigkeit besitzt? Oder war sie schon immer modern? Das führt zu Überlegungen, worin die Modernität der Moderne besteht. Vielleicht liegt es an der Einfachheit, da sie Offenheit zulässt: „Die Einfachheit ist ein offenes Stilideal, unter das sehr verschiedene, aus verschiedenen Zeiten stammende Dinge passen, sodass sie alle ,zeitlos von Heute‘ sein können“, sagt Figal dazu. Anders als im Moderneverständnis im Europa des 20. Jahrhunderts, in dem Moderne gleichbedeutend mit Avantgardismus gesehen wurde und somit das Ältere keine Chance hatte modern zu sein, spielt hier die Zeit keine Rolle. Wenn man also Moderne nicht zeitorientiert, sondern raumorientiert versteht, hat man vielleicht den Schlüssel zum Verständnis der Moderne in der Hand.

„Es gibt sehr gute Gründe, der philosophischen Marginalisierung der Architektur zu widersprechen.“

Prof. Dr. Günter Figal

Mit Günter Figal war zum ersten Mal ein Philosoph zu Gast im Architekturforum. Das Interesse war besonders groß und der Raum übervoll. Figal promovierte 1976 in Heidelberg mit einer Arbeit über Adorno, 1987 erfolgte die Habilitation mit einer Arbeit über Martin Heidegger. Seit 2001 hat er die Professur für Philosophie (Lehrstuhl Husserl und Heidegger) in Freiburg inne.
Im Rahmen eines Lehrauftrags in Japan stieß Figal eher zufällig auf die Fragen zu Raum und Moderne in Andos Architektur. Daraus ist das Buch Ando. Raum Architektur Moderne (modo Verlag) entstanden, in dem er den Fragen nach dem Raumcharakter von Andos Bauten und nach ihrer Modernität nachgeht. Selbst einer der ersten Philosophen, die sich ernsthaft mit Architektur auseinandersetzen, tritt Figal dafür ein, dass die Architektur zum Gegenstand der Philosophie wird: davon könnten beide Seiten profitieren.

Prof. Dr. Günter Figal | Philosoph | Freiburg
www.guenterfigal.eu